Produktionen • Weisse Waende - Nur für kurze Zeit

  1. Asteroiden 1 - Der Plan (1:51)
  2. Der Apotheker (2:53)
  3. Ich Pfeif Auf Euch (3:31)
  4. Guten Morgen! (1:19)
  5. Die Einen Und Die Anderen (4:12)
  6. Vom Kleinen Alfred (2:23)
  7. Asteroiden 2 - Auf Erdkurs (1:35)
  8. Endlich Eine Neue Stelle (2:29)
  9. Paul (7:12)
  1. Im Fluss Der Melancholie
    Seufzende Pferde
    (1:35)
  2. Olm (2:03)
  3. Das Mädchen, Die Kiste
    Und Das Meer
    (5:12)
  4. Fenster Für Jeden (1:04)
  5. Hände Weg! (3:20)
  6. Die Frau (0:28)
  7. Sie (2:40)
  8. Die Fähre Zum Mond (3:39)

Stimme & Text: Christian Reiner
Schlagzeug: Herbert Pirker
Gitarren: Karl Ritter

Released 2007 on Windhundrecords

Da trägt einer vor, verliert sich in Sprache und Lauten, bleibt trotzdem immer hochkontrolliert: bestes Burgtheaterdeutsch, das hinterhältige Schnarren eines Italowestern-Bösewichts, der freundliche Märchenonkel aus dem Dritten Programm, The Human Didgeridoo, der nachdenkliche Vortrag eines Dichterlings, Katastrophen-Nachrichtensprecher-Paniksprache, Schamanengebrüll, Blues-Shouter, Fernsehprediger, durchgedrehter Diktator, James Brown, My Life in The Bush of Ghosts. "Can I have a witness?!"

Ja, kann er: Schlagzeugsentenzen und wildes Gepolter, dazu Gitarren-Tonwände, Saitenquälereien, Rock- und Blues-Passagen sind Christian Reiners "Zeugen" bei WEISSE WAENDE. Sie stammen von Karl Ritter und Herbert Pirker, die hier nicht als musikalische Begleiter, sondern als kongeniale Partner, Improvisationskünstler, Vollender seiner textlichen Visionen in Erscheinung treten.

"Die Ursprungsidee war, Kopf-Comics zu machen, also Geschichten über Figuren zu erzählen, die Namen wie Paul oder Anton tragen", sagt Karl Ritter - und Christian Reiner ergänzt: "Die Geschichten sind Comic-haft erzählt, sowohl vom textlichen als auch vom musikalischen Aspekt her, und sie erklären nicht alles explizit. Der ,Mord‘ passiert bei einem guten Krimi im Kopf des Lesers und bei uns im Kopf des Hörers. Das Nichterzählte - auch in der Musik - läßt viel offen."

Reiners Stories sind improvisiert, mit teilweise wiederkehrenden Gestalten, die er einsetzt wie ein Rockmusiker ein Riff oder einen Lick, über die er improvisiert und die er sprachlich/stimmlich auch verkörpert. "Was die tun, ist jeweils was ganz anderes; das ist von den Typen und der Tagesverfassung abhängig", erklärt der Dichter und Sprach-/Sprechkünstler. "Bei WEISSE WAENDE geht es auch gar nicht um das Inhaltliche, sondern um das Formale, um die Musik, die dabei entsteht."

Gleich bei ihrem ersten offiziellen Treffen spielte die Band eine CD ein - das weist entweder auf eine besondere Harmonie zwischen allen Beteiligten oder auf eine radikale Abkehr von den Konventionen des Musikgeschäfts hin. Bei WEISSE WAENDE war und ist es eine Mischung aus beidem, obwohl Karl Ritter noch extra betont: "Wir haben eine Antihaltung gegenüber produziertem Zeug."

Ganz frühe Wurzeln hat die Formation vielleicht in der "Lyrik & Jazz"-Bewegung vergangener Jahrzehnte - aber damit will keiner der Künstler konkret damit in Zusammenhang gebracht werden. "Das war ja langweilig, weil die Texte vorgegeben waren", grenzt sich Christian Reiner deutlich davon ab. "Bei unseren improvisierten Stücken kann die Musik den Text verändern und umgekehrt. Und was am Schluß dabei herauskommt, ist hoffentlich ,Poesie und Musik‘."

Das Zusammentreffen der Protagonisten war, wie sie betonen, "eine magische Sache". Karl Ritter und Christian Reiner lernten einander vor zwei Jahren ganz kurz und zufällig kennen, waren begeistert und legten diese Erkenntnis im Gedächtnisspeicher ab. Als Christian dann einen Auftritt hatte ("Alles vielzusehr umsonst" - vertonte Texte des Gugginger Künstlers Ernst Herbeck), bei dem sein musikalischer Partner Achim Tang aus Krankheitsgründen ausfiel, rief er Karl an, aber der hatte keine Zeit. Trotzdem planten die beiden dann einen gemeinsamen Live-Auftritt und retteten die dabei entstandene Energie in ihre erste Studio-Session am nächsten Tag hinüber.

Das Ergebnis: WEISSE WAENDE. Verflieste Wände in Operationssälen, Gummiwände in der Nervenheilanstalt, steril ausgemalte Wände in Wohnungen und Büros, gesichtslose Fassaden - aber immer zugleich die Möglichkeit, dieses grelle, leere, inhaltslose Weiß zu beschriften, betexten, mit Graffiti oder einem Jahrhundertroman zu beschmieren, Musikstücke darauf zu komponieren, es als Kreativfläche zu benützen, bis die Beamten beschließen, es wieder übermalen zu lassen. Und damit neue WEISSE WAENDE entstehen lassen.

Das Projekt WEISSE WAENDE, dessen erste Demo-CD nicht umsonst den Titel "nur fuer kurze zeit" trägt, zelebriert die hohe Kunst der Improvisation, ohne sich dabei in Free-Jazz oder Pure-Noise-Selbstbefriedigung zu verlieren. Fertige Stücke (die dann - ebenso improvisiert - "Asteroiden", "Der Apotheker" oder "14" heißen) finden sich nur auf Tonträgern, die Konzerte aber sind jedes für sich ein Neubeginn - und werden auch von Videokünstlern begleitet, die dazu live auf Videowalls zeichnen und den Gig mitdrehen ...

"Alles kann passieren", sagt Reiner, "vom Hörspiel bis zum Rock’n’Roll, auf Platte wie auch live. Dabei wollen wir aber weder 70er-Jahre-Aktionismus noch hohle Provokation betreiben, sondern etwas Klares und Gerades produzieren, mit einer deutlich erkennbaren Struktur. Aber innerhalb dieser Struktur ist wiederum vieles möglich, ob Lesung oder Konzert im Flex."

Peter Hiess